Ratgeber: Halbmarathon o.k. - Marathon schlapp

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Copyright: Herbert Steffny

Trainingsplan verschärft - Halbmarathon gut, aber Marathon mühsam

Frage von Peter P.:

Hallo Herbert,

da ich mich als Sportkamerad sehe und Michael Spöttel (ich habe von Eurer gemeinsamen Teilnahme am New York Marathon im "Großen Laufbuch" gelesen) von frührer her kenne, wir sind beide für den selben Verein gestartet, erlaube ich mir die persönliche Anrede.

Ich laufe seit dem letzten Jahr längere Strecken mit einem ersten Marathon im Herbst 2006 (3:45:36). In diesem Jahr bin ich im Frühjahr einen Halbmarathon in 1:33:50 gelaufen und danach den Hamburg Marathon in 3:23:40.

Auf den Köln Marathon im Oktober habe ich mich anhand Deines Trainingsplanes ("Großen Laufbuch") für die Zielzeit 3:15 vorbereitet. Deinen Plan habe ich an leicht verändert: Ausweitung auf 12 Wochen statt 10, Anzahl der Einheiten phasenweise erhöht, während des dreiwöchigen Urlaubs täglich, Zielzeiten der Einheiten schneller. So vorbereitet bin ich den Halbmarathon in 1:29:28 am 16. September in Karlsruhe - also drei Wochen vor dem Marathon - gelaufen. Ich habe mich während des ganzen Laufes sehr gut gefühlt, konnte die Geschwindigkeit sehr gut einschätzen und sie nach 10 Km, als ich merkte, daß mehr drin ist, gezielt steigern und durchhalten. Für die letzten drei Wochen bis zum Marathon habe ich mich dann genau an Deinen Plan gehalten. Am 7. Oktober bin ich in Köln 3:15:49 gelaufen (1. Hälfte: 1.37:20; 2. Hälfte: 1:38:29).

Während des Marathon fühlte ich mich zu keinem Zeitpunkt so fit, wie drei Wochen vorher beim Halbmarathon. Bereits nach wenigen Kilometern (ca. 8) taten mir die Beine weh, wie sonst nur oberhalb von 30 Km. Ich bin ab Km 15 "alleine" gelaufen, da ich keine Gruppe mehr gefunden habe, die mein Tempo ging. "Alleine" heißt, ich habe fortlaufend überholt. Das war viel Kampf mit dem inneren Schweinehund. Die Erholung nach dem Lauf ging sehr schnell. Sowohl am Renntag selbst wie auch in den Tagen danach fühlte ich mich besser als nach den beiden vorangegangenen Läufen.

Mein Eindruck ist, daß ich durch das große Laufpensum (z.B. neun Dreistundenläufe) eine sehr gute Substanz habe. Dennoch scheint mit der Lauf nicht optimal gelungen  zu sein. Ich habe zwei Thesen:

  • Ich habe mich vom Halbmarathon bis zum Marathon nicht ausreichend erholt.
  • Das Tapering in den beiden letzten Wochen war nicht ausreichend.

Welche Hinweise kannst Du mir geben, um die Trainingsanalyse weiterzutreiben? Ich möchte meine Trainingsplanung für das Frühjahr, wieder Hamburg, verbessern.

Vielen Dank für Deine Unterstützung und freundliche Grüße

Peter P.

P.s.: Ich bin 48 Jahre alt, wiege 76 Kg und habe in der Uni Tübingen eine Leistungsdiagnostik (alles in Ordnung) durchführen lassen.

 

Antwort von Herbert Steffny:

Hallo Peter!

Meine Pläne verstehen sich immer als Rahmenplan, also meine beste Empfehlung aus jahrzehntelanger Trainerpraxis, so wie ein gutes Kochrezept, dass, wenn man es befolgt sehr, sehr wahrscheinlich erst mal klappen wird. Später mit mehr Erfahrung kann man sicherlich meine Pläne individualisieren und leicht abändern, denn altersabhängig, mental, orthopädisch und genetisch ist jeder natürlich ein wenig anders. Diese Modifizierungen können mit Fingerspitzengefühl und know-how, was ich versuche in meinem
"Großen Laufbuch" im Text zu vermitteln, zu noch besseren Ergebnissen führen. Letztlich möchte ich in meinen Seminaren und Büchern erreichen, dass ein mündiger Athlet zu seinem eigenen Trainer wird.

So nun zu Dir. Soweit ich das aus Deiner Schilderung überhaupt beurteilen kann, hast Du insgesamt vielleicht zuviel reingepackt (12 Wochen statt 10 Wochen, neun lange Läufe, statt sechs bis sieben und vor allem dabei noch zuviel Tempo trainiert. Folglich warst dann hinten raus auf den Marathon schon etwas müde geworden. Du hättest vielleicht doch meinen 10 Wochenplan stur befolgen sollen und lediglich einen Dauerlauf von einer Stunde hinzufügen sollen. Also: mehr Kilometer: ja! Mehr Tempo als im Plan angegeben: nein! Natürlich hat das Ganze auch orthopädische Grenzen, die man aber (mitunter schmerzhaft) individuell oder mit einem versierten Trainer ausloten muss!

Dein Training war vor dem Halbmarathon inkl. dem Halbmarathon selbst schon etwas zu hart, denn Du hast ja meinen (Marathon-)Plan verschärft, also die Einheiten schneller durchgezogen, wie Du schreibst. Für den Halbmarathon hats dann gerade noch gereicht, hier war das Tempo vielleicht sogar noch von Nutzen (Tempohärte, Kohlenhydratstoffwechsel usw.). Aber dann fehlten Dir möglicherweise die Reserven für den Marathon, der eigentlich das wichtigere Ziel war, und für den Du letztlich dann doch zu schnell trainiert hast. Wenn Du also meine Pläne, (die ich aus gutem Grund genauso meine wie ich sie schreibe!) modifizierst, dann bitte nicht schneller laufen, sondern im angegebenen Tempo des Intervalltrainings mehr, statt flottere Wiederholungen machen und lieber mehr Kilometer insgesamt laufen (wie auch im "Großen Laufbuch" im Text beschrieben, den man auch lesen sollte).  Für den Marathon kommt es wesentlich mehr auf die Grundlagenausdauer, wie z.B. den Fettstoffwechsel an. Soll heißen: ein guter Halbmarathon ist noch kein Garant für einen guten Marathon!

Andererseits hast Du ja letztlich die geplanten 3:15 Stunden geschafft. Aber vielleicht war mehr drin! Dein relativ gleichmäßiger Lauf war top und das Überholen mag stören, motiviert aber auch den "Jäger", der von hinten kommt. Köln ist zudem mit den Winkeln, Kopfsteinpflaster und Brücke am Ende nicht ganz so schnell wie Hamburg, Berlin und Frankfurt. Beim nächsten Mal im Marathontraining beim Tempo die Handbremse etwas anziehen, ein paar Kilometer über ruhige Dauerläufe mehr joggen und Du läufst bei 1:29 im Halbmarathon über 42,195 Kilometer bei schneller Strecke und günstiger Witterung 3:08 Stunden!


Viel Erfolg in Hamburg - Herbert Steffny

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